Asymmetrisch-komplementäre Polarität – Eine Überlegung zum Sakrament der Ehe im Kontext aktueller Entwicklungen
Der Kontext
Im Mai 2015 stimmten über 60 Prozent der wahlberechtigten Iren, die ihre Stimme abgaben, für eine Verfassungsänderung, die die sog. „Homo-Ehe“ der Ehe zwischen Mann und Frau gleichstellt (wörtlich: dass eine Ehe „zwischen zwei Personen unabhängig von ihrem Geschlecht“ geschlossen wird[1]). Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin im Vatikan sprach daraufhin von einer „Niederlage für die Menschheit“[2] (italienisch „umanità“; kann allerdings auch mit „Menschlichkeit“ übersetzt werden).
In Deutschland setzte umgehend eine gesellschaftliche und mediale Debatte ein, in der verlangt wurde, es den Iren nunmehr gleich zu tun (Tenor: „Wenn dies schon in einem traditionell streng katholischen Land wie Irland möglich ist, warum nicht auch bei uns?“). Ein katholischer homosexueller Bundestagsabgeordneter der CDU aus Baden-Württemberg beklagte sich über „die Gesprächsverweigerung der Bischöfe“[3] und ließ seine Partnerschaft von einem altkatholischen Priester segnen. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, mittlerweile Bundesvorsitzende der CDU, bezog umgekehrt für ihre kritischen Einlassungen zur „Ehe für alle“, die dann juristisch die Möglichkeit der staatlich anerkannten Polygamie und der engeren Verwandtenehe nach sich ziehen könnte (womöglich gar müsse), heftige Kritik von medialer wie politischer Seite.[4]
Am 30. Juni 2017, in seiner letzten Sitzung vor der parlamentarischen Sommerpause, beschloss der deutsche Bundestag in freier Abstimmung – wobei die Gegenstimmen zum vorgelegten Gesetzentwurf ausschließlich aus den Reihen von CDU und CSU kamen – die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch in Deutschland. Damit war – dies war gewiss Teil des politischen Kalküls bei Ankündigung der kurzfristigen Abstimmung – die Thematik, die bereits Eingang in mehrere Wahlprogramme der anderen im Bundestag vertretenen Parteien gefunden hatte – vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 „abgefrühstückt“. Eine breite gesellschaftliche und politische Diskussion der Thematik war damit nicht mehr möglich.
Aus diesem Grund habe ich mich noch im gleichen Jahr gedrängt gefühlt, mich mit dem Verhältnis von Mann und Frau in schöpfungstheologischer Perspektive und dem symbolisch-mystischen Charakter der christlichen Ehe (als Sakrament) zwischen einem Mann und einer Frau zu beschäftigen und Möglichkeiten einer angemessenen pastoralen Haltung gegenüber denen darzulegen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht im Sakrament der Ehe leben (können). Die hier formulierten Gedanken verstehen sich ausdrücklich als Meinungsäußerung und Diskussionsbeitrag zu einer gesellschaftlichen wie kirchlichen Situation, die nicht einfach als „abgehakt“, „erledigt“ betrachtet werden sollte.
Asymmetrisch-komplementäre Polarität[5]
Mit der gewählten Überschrift lässt sich nicht nur das Verhältnis von Mann und Frau, sondern ebenso das von Gott und Mensch beschreiben. Dieses ist asymmetrisch[6] und lässt sich in „Gegensatzpaaren“ beschreiben: Schöpfer und Geschöpf; Ewigkeit und Zeitlichkeit; Transzendenz und Immanenz (gleichermaßen Entzogenheit und tiefstes In-Sein) auf der „Seite“ Gottes, Ekstatik und Weltbezug aufseiten des Menschen; Gutheit, Schönheit und Wahrheit in Reinform bei Gott, die Sehnsucht nach dem Guten, Schönen und Wahren und die Wahl sowohl richtiger wie falscher Mittel zum Erlangen derselben beim Menschen. Entzogenheit ebenso wie Zugewandtheit und Nähe in Freiheit bei Gott; das Streben nach Unabhängigkeit und Autonomie ebenso wie Sehnsucht nach Lieben und Geliebtwerden beim Menschen.
Komplementarität meint das Aufeinanderbezogensein von Gott und Mensch. Diese kann sich nur in Freiheit vollziehen, nicht in Abhängigkeit, sowohl von Gott wie vom Menschen her; in der westlichen Moderne ohnehin, in der viele ihr Leben faktisch „unabhängig“ von Gott („autonom“) gestalten (wollen) oder „Gott“, was m.E. viel schlimmer ist, für die Erfüllung ihrer Lebenswünsche regelrecht missbrauchen. Damit soll nicht gesagt sein, dass Gott und Mensch sich „brauchen“ würden (dies ist ebenfalls eine Fehlform wie ein populäres, gleichwohl uraltes Fehlverständnis von „Religion“). Vielmehr stehen sie in einem gleichermaßen freien wie kreativen, somit schöpferischen Bezug zueinander, der sichtbar Neues hervorbringt (die Zeugung neuen Lebens ebenso wie die geistigen Schöpfungen des Menschen in Kunst, Musik und Wissenschaft, und die politischen und sozialen Freiheitsbewegungen der Menschheitsgeschichte; diese oftmals in einem lang anhaltenden und schmerzhaften Trennungsprozess von alten „Gottesbildern“).
Der Begriff der Polarität[7] beschreibt das Spannungsfeld in der „Gegensätzlichkeit“ – besser: dem „Gegenüberstehen“ - von Gott und Mensch. Diese befinden sich in einer Grundspannung, die – nach dem Glauben der Christen – durch die Menschwerdung Jesu Christi, seinen Tod und seine Auferstehung überbrückt, aber nicht aufgehoben (!) wurde und damit zu einer beständigen Bewegung des „Hin und Her“ zwischen Gott und Mensch (bzw. Kirche als Gemeinschaft der Gläubigen) führt, die diese Polarität nicht aufhebt, ihr wohl aber eine „ungeheure“, weil kreative Dynamik verleiht.[8]
Im Sinne der Analogie (= „Entsprechung“[9]) im Verhältnis von Gott und Mensch lässt sich das Verhältnis von Frau und Mann ebenso in der Begrifflichkeit asymmetrisch-komplementärer Polarität beschreiben: Bei aller grundsätzlichen Gleichheit bzgl. ihrer Menschen- und Grundrechte – theologisch gesprochen: aufgrund ihrer Ebenbildlichkeit mit Gott (Gen 1,26) -, gibt es ebenso die Unterschiedlichkeit körperlicher, psychischer, kultureller und sozialer Art (natürliche und kulturelle Asymmetrie)[10]. Besonders um den Aspekt der Unterschiedlichkeit zwischen den Geschlechtern wird in der Gegenwart ein heißer Kampf geführt über die Frage, ob diese objektiver (somit vorgegebener) Art sind oder vielmehr das Resultat einer über die Jahrhunderte vollzogenen und vom Menschen konstruierten kulturellen Entwicklung, die sich durch einen (von interessierter Seite gern auch gesteuerten) Umkehrprozess dirigieren ließe hin zur Einebnung ebendieser. Maßgeblich für die letztere Haltung ist der Verdacht, der Weg zur (zumindest in den meisten Gesellschaften) traditionellen Geschlechterwahrnehmung sei ein langfristig von männlicher Seite bewusst-unbewusst gesteuerter gewesen.[11]
Ferner ist das Verhältnis der Geschlechter zueinander als komplementär anzusehen, als Aufeinanderbezogensein und gegenseitige Verwiesenheit. Zu ihrem Gelingen gehört heute mehr denn je die Notwendigkeit wie die Fähigkeit zur Kommunikation.
Die Analogie gilt schließlich auch für die Polarität der Geschlechter: Mann und Frau ziehen sich gegenseitig an und stoßen sich ab, suchen ihre je eigene Identität über die Abgrenzung vom anderen Geschlecht wie ihre ganzheitliche Erfüllung in dem Menschen, der so ganz anders ist, entdecken aber auch „Eigenschaften“ des anderen Geschlechts im eigenen.
Biblische Grundlegung
Bereits in den ersten beiden Kapiteln der Bibel wird die Erschaffung des Menschen als „männlich und weiblich“ (Gen 1,27; EÜ 2016) dargelegt. [12] Der ältere Schöpfungsbericht in Gen 2 betont, dass die Frau aus der Seite des Menschen („Adam“) geschaffen wird, nachdem dieser zwar in der Lage ist, der Tierwelt Namen zu geben, aber kein „Gegenüber“ (Gen 2,20) findet, das ihm hilfreich wäre. Erst mit der Erschaffung der Frau (hebr. ischah) „aus der Rippe“ wird der „Adam“ (schlicht: „Mensch“) zum „Mann“ (hebr. isch), worüber er in Jubel ausbricht (Gen 2,23).
Sowohl im Alten wie im Neuen Testament, wird das Verhältnis von Gott und Mensch (oder präziser: dem Volk Israel bzw. der Kirche) immer wieder als Verhältnis von Mann und Frau, von Braut und Bräutigam, als Bundesschluss mit Ehecharakter beschrieben, wobei Gott stets die „männliche“ Rolle zukommt.[13] Gewiss gibt es in der Bibel auch „weibliche“ Züge Gottes; diese sind aber, aufs Ganze betrachtet, eher als „hintergründig“ anzusehen.[14]
Jesus spricht in seinen Gleichnissen vom Gottesreich immer wieder von einer Hochzeit, von Braut und Bräutigam, von eingeladenen Gästen, die sich teils freudig, teils ignorant zur Einladung verhalten.[15] Dabei versteht er sich selbst als der Bräutigam. Bei der Hochzeit zu Kana, an der er mit Mutter und Jüngern als Gast teilnimmt, betont er, dass seine Stunde (seine Hoch-Zeit, die sich in seiner Erhöhung am Kreuz offenbart) noch nicht gekommen sei (Joh, 2,4).
Ferner betont Jesus in der Auseinandersetzung mit seinen Gegnern (Mt 19,3-12; Mk 10,2-12), die ihn bezüglich der Ehescheidung befragen, dass der ursprüngliche Schöpfungswille Gottes, wie er in den ersten Kapiteln der Bibel niedergelegt ist, ein anderer ist: „Als männlich und weiblich schuf er sie“ (v. 4; griech. ársen kai thêly, hierbei Gen 1,27 präzise zitierend); „darum wird der Mann Vater und Mutter verlassen und sich an seine Frau binden und die beiden werden ein Fleisch (= unzertrennbar; R.N.) sein“ (vgl. Gen 2,24; wird auch in Eph 5,31 zitiert!). Damit steht der Ursprungswille Gottes über den eher pragmatischen Regelungen des mosaischen Gesetzes (Dtn 24,1f.).
Wenn Jesus in den Evangelien von oder zu Gott redet (bzw. betet, bis in die bitterste Stunde hinein: Mt 26,39), spricht er immer wieder von „seinem (bzw. mein(em)) Vater im Himmel“ und hält die Jünger an, es ebenso zu tun.[16] In der Auseinandersetzung mit seiner Herkunftsfamilie (Mk 3,31-35; par.) betont er: „Wer den Willen meines Vaters im Himmel tut, der ist mir Bruder, Schwester und Mutter.“ Wir finden somit auch in der Verkündigung Jesu die von mir postulierte männlich-weibliche Polarität in seinem „Gottesbild“.
Auch in der Überlieferung der Menschwerdung Jesu kommt die in der Schöpfung grundgelegte Polarität der Geschlechter zum Ausdruck (Lk 1,26-38) und wird zur Grundlage für die Neuschöpfung in Christus: Gott Vater (als „Bräutigam“) tritt, vermittelt durch den Engel Gabriel, an die Jungfrau (!) Maria (als „Braut“) heran, um die Geburt des Gottessohnes anzukündigen und das Einverständnis Mariens einzuholen. Die alles entscheidende Antwort Mariens: „Mir geschehe, wie du es gesagt hast“ (v. 38), bildet die Grundlage für jegliche Marienverehrung in der katholischen Kirche wie in den Ostkirchen.
Der Epheserbrief (5,21-33) überträgt das alttestamentliche Verständnis der Beziehung Gottes zu seinem Volk auf das neutestamentliche Gottesvolk und beschreibt das Verhältnis von Ehefrau und Ehemann parallel zu dem von Christus als „Mann“ und seiner Kirche als „Frau“ („ein tiefes Geheimnis“, v. 32).[17]
Paulus spricht, obigen Aussagen scheinbar widersprechend, von der gemeinsamen Sohnschaft aller Christen (Gal 3,26-28), aus der es heraus keinen Unterschied mehr gibt zwischen „Juden und Griechen, Sklaven und Freien, männlich und weiblich“ (v. 28, nach EÜ 2016). Die Taufe ist und bleibt die gemeinsame Grundlage und Würde, nach der Volks-, Standes- und Geschlechtsunterschiede im Volk Gottes keine wesentliche, d.h. diskriminierende (= negativ unterscheidende) Rolle mehr spielen dürfen. Die Frage, die an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden kann, ist, welche Konsequenzen die paulinische Sicht für die Zugänglichkeit zu kirchlichen Ämtern haben muss.[18]
Die kirchliche Ehelehre
Das II. Vatikanische Konzil hat eine bundestheologische Sicht der Ehe betont (pastoraltheologische Konstitution „Gaudium et Spes“, 48, sowie die dogmatische Konstitution „Lumen Gentium“, 11).[19] Auf ihre spezifische Weise sind die Eheleute „gleichsam Interpreten“ der Schöpferliebe Gottes (GS 50). Nach Sicht der katholischen Kirche kommt das Sakrament der Ehe durch das gegenseitige Ja-Wort (den Ehekonsens) von Mann und Frau zustande und nicht, wie nach Lehre der orthodoxen Kirchen, durch den Segen des Priesters.[20]
Plädoyer für eine Mystik der christlichen Ehe
Der innerste Kern der christlichen Ehe, der eigentliche Bereich ihrer Heiligkeit, ihr „Geheimnis“ (griechisch: „mysterion“, lateinisch: „sacramentum“, nach Eph 5,32) ist nicht angreifbar, verletzbar oder zerstörbar.[21] Ihre Sakramentalität besteht darin, der „sichtbare Ort“ der „Kommunikation“ zwischen Gott und Mensch zu sein. Vielleicht sind in der Vergangenheit Fragen von Recht, Biologie und Alltagsfragen der Partnerschaft zu sehr in den Mittelpunkt kirchlicher Betrachtungen und Stellungnahmen gestellt worden, anstatt den grundlegenden mystischen Charakter des Ehesakraments zu betonen und bis in die Verkündigung zu entfalten.
Mit dem gewiss sperrigen Begriff asymmetrisch-komplementärer Polarität wird ein Verständnis von Heiligkeit in der christlichen Ehe von Mann und Frau zum Ausdruck gebracht, das Grunderfahrungen des Menschseins im Geheimnis (symbolon; sacramentum) der Beziehung Gottes zum Menschen ausdrückt, wie sie auf keine andere Weise möglich sind: Die Polarität menschlicher Erfahrungen von Gott, Schöpfung (Natur und Mit-Welt) und Mitmenschen, besonders in der Begegnung mit dem anderen Geschlecht. Die Gegensatzpaare Aktivität und Passivität, Hingabe und Hinnahme, Geben und Nehmen, womit keinesfalls gesagt sein soll, die je ersten Begriffe seien „männlich“, die zweiten „weiblich“. Schließlich die Spannung von animus und anima in der Psyche und die Erkenntnis, dass jeder Mensch mit gewiss individueller Ausprägung beide Anteile in sich trägt.[22] Ferner die zeichenhafte Deutung natürlicher Gegebenheiten, wozu unsere Vorfahren noch in der Lage waren: z.B. die Grundsymboliken „Berg“ = „männlich“ (im Symbol: Dreieck nach oben) und „Tal“ = „weiblich“ (im Symbol: Dreieck nach unten), jeweils in Analogie zum männlichen bzw. weiblichen Körper. In der Sprache der Bibel das Verhältnis von Gott (Bräutigam) und Volk Israel (Braut) im Alten Testament; Jesus Christus (Bräutigam) und Kirche (Braut) im Neuen Testament; Gott Vater (Jesu und der Gläubigen) und Maria, Jungfrau und Mutter (Jesu und der Kirche).
Plädoyer für eine „Pastoral der Zugewandtheit und des Wohlwollens“
Eine Sichtweise auf die Geschlechter, die, entgegen anderer Tendenzen (auch in Teilen der Theologie), deren bleibende Polarität anerkennt,[23] ist – auch wenn dies in der kirchlichen Praxis der Vergangenheit nicht der Fall war – in der Lage, mit nicht dem Mainstream entsprechenden, etwa sexuell nicht eindeutigen Identitäten, „abweichenden“ Lebensentwürfen ebenso wie mit Erfahrungen des Scheiterns und der Schuld „tolerant“ – d.h. in einer Haltung demütig mittragender Solidarität anstelle von überheblicher Scheinheiligkeit und Besserwisserei – umzugehen. Diese sind Ausdruck der „conditio humana“, der menschlichen Verfasstheit unter den Bedingungen von Natur und Kultur, Geschichte und Schuld (theologisch gesprochen: unter der „Erbsünde“[24]). Hilfreich ebenso wie notwendig wird dabei eine gute „Unterscheidung der Geister“ sein, die die gegenwärtige Vielfalt von (Zusammen-) Lebensformen[25] unter dem Gesichtspunkt betrachtet, ob diese dem/den Menschen hilfreich und aufbauend sind oder Freiheit und körperlich/seelische Unversehrtheit einschränken oder gefährden. Der Frage nach personaler Freiheit auf der einen Seite und schädlicher Abhängigkeit und (sexuellem, psychischem, physischem und auch ökonomischem sowie spirituellem) Missbrauch auf der anderen Seite darf dabei nicht ausgewichen werden.
Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht dem kirchlichen Ideal der Ehe entsprechend leben (können), dabei doch ganz aufrichtig die Gemeinschaft mit der Kirche suchen, dürfen weder ausgeschlossen noch diskriminiert werden. Ebenso wenig ist es angemessen, diese an den Rand oder umgekehrt (übertrieben und damit wieder, diesmal „positiv“ diskriminierend) in den Mittelpunkt der kirchlichen Gemeinschaft zu stellen.[26] Für eine solche Haltung ist nach dem oben Gesagten reichlich Raum, ohne die Heiligkeit und Exklusivität der christlichen Ehe zwischen einem Mann und einer Frau (die nicht miteinander eng verwandt sind) zu gefährden, aufzuweichen oder in Frage zu stellen. Die „Ehe für alle“ ist, unter bundestheologischer Sicht, wie vom II. Vaticanum herausgestellt, im Rahmen der katholischen Kirche keine Option!
Nach dem Gesagten braucht z.B. einer Segnung von Partnerschaften, die nicht dem kirchlichen Ehe-Ideal entsprechen, aber von tiefer Freundschaft, Respekt und gegenseitiger Treue geprägt sind, eigentlich nichts im Wege stehen[27], zumal in einer pastoralen Situation, in der mit anderen Segnungen (z.B. Tiersegnungen, Haussegnungen, Feuerwehrautos etc.) sehr großzügig umgegangen wird. Denn Segnen bedeutet doch eigentlich, den Gesegneten die zugewandte Seite Gottes zuzusprechen und nicht, wie wir oft meinen, etwas „gut zu heißen“ und damit „abzusegnen“.
[1] Björn Finke: https://www.sueddeutsche.de/politik/volksabstimmung-zur-homo-ehe-wie-das-katholische-irland-sich-revolutioniert-1.2492164[2] FAZ: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/katholische-kirche-vatikan-ja-zur-homo-ehe-ist-niederlage-fuer-die-menschheit-13613592.html[3] Thomas Sebastian Vitzthum, Die Welt: https://www.welt.de/politik/deutschland/article142243387/Bischoefe-verweigern-Gespraech-mit-schwulem-CDU-Mann.html [4] Oliver Georgi, FAZ, 03.06.2015: „Kramp-Karrenbauer will sich nicht entschuldigen“: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/kramp-karrenbauer-vergleich-von-homo-ehe-und-inzest-13627824.html[5] Die gewählte Begrifflichkeit ist beeinflusst von Überlegungen eines großen Querdenkers des 20. Jahrhunderts, Ivan Illich, der in „Genus: Zu einer historischen Kritik der Gleichheit“ befand, dass die abendländische Entwicklung vom „Genus“ zum „Sexus“ führe, aber nicht die erhoffte Gleichstellung der Geschlechter bewirke, sondern eine fortwirkende Diskriminierung der Frauen, bis auf wenige Ausnahmen. Von feministischer Seite wurden seine Überlegungen, die davon ausgehen, dass das Verhältnis der Geschlechter bis zum abendländischen Mittelalter als asymmetrisch-komplementäre Polarität beschrieben werden kann, als reaktionär-rückwärtsgewandt heftig angefeindet.[6] Leider wird Asymmetrie besonders in kommunikativen Situationen häufig als Machtgefälle wahrgenommen. So wird bspw. immer wieder und m.E. zu Recht die „asymmetrische“ Kommunikation zwischen Bischöfen und dem Kirchenvolk beklagt.[7] Polarität bedeutet gerade nicht Dualität als zwei voneinander getrennten Prinzipien. Das christliche Gottesbild ist nicht dualistisch, auch wenn es in Teilen des Christentums zu solchen Strömungen gekommen ist (z.B. in der Haltung: „hier die Guten, dort die Bösen“, etc.), die sich bis in die Gegenwart auswirken, bspw. im nordamerikanischen Puritanismus.[8]Siehe z.B. den Philipperhymnus (Phil 2,5-11) oder im Johannesevangelium das Gespräch mit Nikodemus (Joh 3,1-21). [9] Das IV. Laterankonzil der Katholischen Kirche im Jahr 1215 hat Analogie zwischen Gott und Mensch so definiert: „ Denn zwischen dem Schöpfer und dem Geschöpf kann man keine so große Ähnlichkeit (similitudo) feststellen, daß zwischen ihnen keine noch größere Unähnlichkeit (dissimilitudo) festzustellen wäre“ (DH 806).[10] Z.B. M. Hauke, Gott oder Göttin, S. 90: „Mann und Frau sind als Ebenbild Gottes gleichwertig, aber nicht gleichartig. Wer die Verschiedenheit von Mann und Frau auflösen will, versündigt sich am Willen des Schöpfers und an der Natur des Menschen, die kein geschlechtliches Neutrum darstellt.“[11] Mit dieser grundsätzlichen Fragestellung ist letztlich das Universalienproblem berührt, kurzum die Frage, ob es Allgemeinbegriffe, z.B. die Realität der Zahlen, unabhängig vom Menschen gibt oder ob diese vom Menschen in einem sozio-kulturellen Prozess festgelegt („konstruiert“) wurden. Die vor allem in Frankreich entstandene dekonstruktivistische Philosophie hat es sich zur Aufgabe gesetzt, gewohnte Denkmuster zu „dekonstruieren“. Feministische Feldforschung verweist als Bestätigung vom Menschen „konstruierter Wirklichkeit“ auf weitgehend isolierte Kulturen, in denen sich vom globalen Mainstream abweichende Geschlechterrollen entwickelt haben. Die katholische Kirche hat sich – anders als weite Teile des Protestantismus – vom Nominalismus weitgehend abgegrenzt und stets, bei aller notwendigen Betonung von Analogie im Verhältnis zu Gott, die weitgehende Identität von Sache und Begriff verteidigt.[12] Die EÜ 1980 hat diese Textstelle noch, wie die meisten deutschen Bibelübersetzungen mit „als Mann und Frau schuf er sie“ übersetzt; die adjektivische Übersetzung ist tatsächlich als die präzisere anzusehen.[13] Z.B. beim Propheten Hosea 2,18-25: „Ich verlobe dich mir auf ewig; … um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen … um den Brautpreis der Treue“ (v. 21f.); dies trotz der Untreue Israels. Der Prophet Jeremia beschreibt die Untreue, den Bundesbruch Israels, im Bild des Ehebruchs (Jer 3,1-13). Der Prophet Ezechiel beschreibt Jerusalem als treulose Frau, die es bei Gott so gut hätte haben können, sich aber anderen Männern andiente (Ez 16 und 23; mit sehr drastischen Worten).Der Prophet Jesaja (Jes 54,1-10) verkündet das Ende der Not des Volkes: „Denn dein Schöpfer ist dein Gemahl … Der Heilige Israels ist dein Erlöser … Ja, der Herr hat dich gerufen als verlassene, bekümmerte Frau. Kann man denn die verstoßen, die man in der Jugend geliebt hat?, spricht dein Gott.“ (v.5-6).[14] Eines der schönsten Beispiele für die „mütterliche“ Seite Gottes finden wir bei Jesaja 49,15: „Kann denn eine Frau ihr Kindlein vergessen, ohne Erbarmen sein gegenüber ihrem leiblichen Sohn? Und selbst wenn sie ihn vergisst: Ich vergesse dich nicht.“[15] Z.B. Mt 9,15 (par.); Joh 3,29 (die Hochzeitsgäste können nicht fasten, solange der Bräutigam bei ihnen ist). Mt 22,1-14 (par.): die geladenen Gäste verweigern sich, also werden die Menschen von den Hecken und Zäunen (die Armen) zum Hochzeitsmahl geladen. Mt 25,1-13 (Das Gleichnis von den klugen Jungfrauen). Schließlich Offb 19,9: „Selig, wer zum Hochzeitsmahl des Lammes eingeladen ist“.[16] Z.B. Mt 6,5-15: Das Vaterunser, hier auch interessant mit seinen einleitenden Begründungen („euer Vater weiß, was ihr braucht, noch ehe ihr ihn bittet“ (v.8)). Eine seltene Ausnahme ist Mt 27,46 (par.) „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, wobei der sterbende Jesus den Ps 22,2 zitiert.[17] Auch hier ist die EÜ 2016 präziser als ältere Bibelübersetzungen (v. 21-26): Einer ordne sich dem andern unter in der gemeinsamen Furcht Christi! Ihr Frauen euren Männern wie dem Herrn; denn der Mann ist das Haupt der Frau wie auch Christus das Haupt der Kirche ist. Er selbst ist der Retter des Leibes. Wie aber die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat, um sie zu heiligen, da er sie gereinigt hat durch das Wasserbad im Wort!“Gewiss ist es für den modernen Leser anstößig, wenn hier von „Unterordnung“ (v. 24) der Frau unter den Mann die Rede ist, aber ebenso der Pflicht des Mannes, seine Frau zu lieben. Auch hier zeigt sich die asymmetrisch komplementäre Polarität von Mann und Frau, Christus und Kirche. Die lateinische Übersetzung des Textes („Vulgata“) übersetzt hier „Geheimnis“, griechisch „mysterion“ (v. 32) mit „sacramentum“! [18] Immerhin gab es nach Petrus sowohl noch einige wenige jüdische wie mehrheitlich nichtjüdische Päpste, freie wie freigelassene Christen, die zum Papst gewählt wurden.[19] GS 48: „Christus der Herr hat diese Liebe, die letztlich aus der göttlichen Liebe hervorgeht und nach dem Vorbild seiner Einheit mit der Kirche gebildet ist, unter ihren vielen Hinsichten in reichem Maße gesegnet. Wie nämlich Gott einst durch den Bund der Liebe und Treue seinem Volk entgegenkam, so begegnet nun der Erlöser der Menschen und der Bräutigam der Kirche durch das Sakrament der Ehe den christlichen Gatten. Er bleibt fernerhin bei ihnen, damit die Gatten sich in gegenseitiger Hingabe und ständiger Treue lieben, so wie er selbst die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.“ LG 11: „Die christlichen Gatten … bezeichnen das Geheimnis der Einheit und der fruchtbaren Liebe zwischen Christus und der Kirche und bekommen daran Anteil (vgl. Eph 5,32).“[20] Vgl. G. L. Müller, Katholische Dogmatik, S. 764; gef. in: Joachim Piegsa, Handbuch der Dogmengeschichte, Bd. 6: Das Ehesakrament, S. 79.[21] Natürlich gibt es auch einen „äußeren“, besser gesagt: sichtbaren Bereich der „Heiligkeit“ der Ehe: Die Ehe als Elternteil der „Familienkirche“ in ihrem „säkularen“ wie religiösen Alltag, der Vollzug der Sexualität innerhalb der Ehe, die gegenseitige Treue und Solidarität.[22] Auch vom jeweiligen Lebensalter und anderen (Umwelt-) Faktoren abhängig, ist ein Mensch in seinen Lebensaltern (z.B. hormonell beeinflusst) unterschiedlich stark „männlich“ oder „weiblich“.[23] Durch die in den Industrieländern weit fortgeschrittene „Einebnung“ der Geschlechter(rollen) sehe ich einen weiteren Schritt in Richtung zum „eindimensionalen Menschen“, auch wenn der Schöpfer des Begriffs, Herbert Marcus (1964), seinen kritischen Schwerpunkt anders ansetzte.[24] So z.B. Joachim Piegsa, Ehesakrament, S. 12, 14, 16-23.[25] Ein biblischer Begriff dafür wäre Gefährtenschaft. S. dazu den lesenswerten Beitrag von Werner Kleine, Wuppertal: https://www.dei-verbum.de/mensch-adam/[26] Jesus stellt Kinder in den Mittelpunkt (Mk 9,36) und Kranke (Mk 3,3); er schützt die Ehebrecherin, die von seinen Gegnern in die Mitte gestellt wird (Joh 8,3).[27] Ich gebe zu, dass ich mich selber mit diesem Gedanken noch bis vor wenigen Jahren schwer tat, unabhängig von der Haltung meiner kirchlichen Vorgesetzten.